Dessau Files

Seit über 30 Jahren fotografiere ich in zeitlichen Abständen in der Stadt Dessau. Von 1990 bis heute versammelt mein Archiv diverse Bildgruppen: die „Dessau Files“. Das letzte größere Projekt betraf die Errichtung des neuen Bauhaus-Museums, welches 2019 eröffnet wurde. Dazu erschien eine Heftreihe von 10 ‚Cahiers‘ sukzessive und parallel zum Bauprozess, editiert von Moritz Küng und publiziert von Koenig-Books, London. - Allerdings ist Dessau nicht nur „Bauhausstadt“, sondern auch eine ‚Shrinking City‘, vielfach zerstört und wieder aufgebaut, kämpft sie heute mit den Folgen des industriellen Zusammenbruchs und dem damit verbundenen Verlust an Bewohnern.

Erstmals kam ich nach Dessau im Frühjahr 1990. Ich war mit dem Auto unterwegs und nahm ich mir einen Tag Zeit, um einen ersten Eindruck der architektonischen Zeugnisse der Bauhaus-Periode zu bekommen:

-Das Bauhaus-Gebäude von Walter Gropius (1925/26) war 1976 saniert worden, diverse Details machten einen improvisierten Eindruck, aber insgesamt erschien es mir weitgehend so, wie ich es aus dem Bildmaterial der 20er Jahre kannte. Auffallend war höchstens, daß es innen keine Farben gab, auch die Stahlstruktur der Fassade war in schwarz statt dem ursprünglichen grau gehalten. - Aber da ich vorher nur die klassischen schwarz-weiss Aufnahmen gesehen hatte, fand ich dies nicht weiter bemerkenswert…

-In unmittelbarer Nähe befanden sich die Meisterhäuser (Gropius, 1925/26), deren genaue Identifizierung allerdings eine Herausforderung war: durch Umbauten und Umnutzungen waren sie im Vergleich zu den mir bekannten Abbildungen auf Fotos kaum wiederzuerkennen. Bauliche Veränderungen waren vorgenommen worden, Fenster versetzt und verkleinert, Schornsteine angebracht, die Fassaden sanierungsbedürftig! Schilder wiesen verschiedene Nutzungen als ‚Poliklinik‘ wie auch als Büro- und Wohngebäude aus. Das Meisterhaus Moholy-Nagy fehlte in Gänze, auch konnte ich das Meisterhaus Gropius nicht ausmachen: mir war damals nicht klar, daß nach den Kriegszerstörungen auf dem noch vorhandenen Kellergeschoss ein konventionelles Einfamilienhaus mit Satteldach aufgesetzt worden war!

-Die Siedlung Törten (Gropius, 1926-28) hatte einen dezidiert kleinbürgerlichen Charme, auch hier gab es viel zu renovieren. Die ursprünglichen Fensterbänder der kleinen Häuser waren vollständig verschwunden, Aussenfassaden und Türen schon seit den 30er Jahren je nach Geschmack der Bewohner vielfältig verändert worden. Allgegenwärtig waren bei meinem Besuch die Mülltonnen vor den Häusern und große Antennen auf den Dächern, an Strom- und Telefonkabeln flatterte eine Europafahne…

Das Konsum-Gebäude (Gropius, 1928) fotografierte ich rückseitig mit parkenden PKWs an der Straße. Nach einiger Zeit des zweifelnden Suchens fand ich auch das einst experimentelle Stahlhaus von Muche und Paulick (1926/27) hinter den Büschen, inzwischen etwas angerostetet und mit einer wohl nicht ganz originalen Laterne als Aussenbeleuchtung.

Das zweigeschossige Haus Fieger (Carl Fieger, 1927), nebenan auf einem Gartengrundstück, schien leerzustehen und ich konnte es mit der Kamera umrunden und einige Fotos inmitten der Vegetation machen. Es ist heute von öffentlicher Seite kaum noch einsehbar.

Sämtliche hier gezeigten Fotos wurden mit einer analogen Kleinbildkamera auf Farbnegativfilm gemacht, die Bilder sind analoge c-prints im Format 30x40cm, die Bildgruppe aus dem Jahr 1990 besteht insgesamt aus 18 Fotos.


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